10. November 2023 – "Und wenn ich es irgendwann doch bereue?"


Blog abonnieren
"Und wenn ich es irgendwann doch bereue?", fragen sich viele Frauen, die im Begriff sind, sich gegen eigene Kinder zu entscheiden. Vielleicht ganz aus freien Stücken, vielleicht aber auch, weil die Rahmenbedingungen eher gegen eine Mutterschaft sprechen.
Im zweiten Fall ist man für Angst vor Reue besonders anfällig.

Diese Angst ist dabei nicht immer nur die eigene.
Wer die Absicht, kinderlos zu bleiben, mit anderen teilt, erntet nicht nur von älteren Generationen Bedenken und Unverständnis. Oft versuchen auch Gleichaltrige einen davon zu überzeugen, dass nichts über das wunderbare Gefühl gehe, Eltern zu werden.

Und dass man es spätestens im Alter bereuen würde, wenn man das verpasst hat.

Wir treffen laufend Entscheidungen, die wir vielleicht später bereuen könnten, doch keine ist so endgültig und einschneidend wie die eines Neins zu Nachwuchs.

Vermutlich hat diese Angst auch bei mir eine Rolle gespielt, als ich mich vor gut zehn Jahren auf die Suche gemacht habe nach älteren Frauen, die mit ihrer Zufriedenheit den Beweis erbringen, dass es auch ohne Reue geht.
(Das Resultat dieser Suche habe ich im Buch "Kinderlos bleiben? Auch OK" publiziert.)

Wie jemand mit getroffenen Entscheidungen umgeht, die im Nachhinein auch Nachteile mit sich bringen, ist typenabhängig.

Ich persönlich neige sehr dazu, mich selbst zu verurteilen. Gerate ich in eine unangenehme Lage, läuft bei mir automatisch ein "hätte ich bloss ..."-Kopfkino ab.

Anfang 30 vertraute ich einem sympathischen Mann (ich war gerade dabei, mich in ihn zu verlieben) an, dass ich befürchtete, eine bestimmte Entscheidung zu bereuen. Er meinte: "Schade. Ich habe mich entschieden, nichts mehr zu bereuen."

Das konnte ich mir schlicht nicht vorstellen. Ich zweifelte sogar einen Moment daran, ob er vielleicht doch nicht so liebenswert war. Einer, der nichts bereut – war der dann nicht automatisch skrupellos?
Als er mir erklärte, dass er von einer inneren Haltung spricht, zu Dingen, die nicht zu ändern sind, wechselte mein Bedenken allmählich in Bewunderung für eine Fähigkeit, die mir unerreichbar schien.

Inzwischen gelingt mir recht gut, meinem Hang zu Reue und Selbstvorwürfen mit Selbstcoaching-Tools und Disziplin Einhalt zu gebieten. Aber es war ein langer Weg bis hierhin.

Ob ich etwas bereue, hängt also von meinem Umgang mit schwierigen Situationen ab und ein gesunder Umgang damit ist lernbar.

Beim Thema Kinderlosigkeit kann einem dabei in die Quere kommen, dass sie in der Gesellschaft nicht das beste Ansehen hat. Daher eignet sich Kinderlosigkeit gut dafür, als Sündenbock für ein schlechtes Lebensgefühl herangezogen zu werden.

Ein Beispiel dafür ist, was Brigitte zur Zeit erlebt. Sie ist vor 37 Jahren bei ihrem Partner geblieben, obwohl er keine Kinder mehr wollte. Für sie hat die Entscheidung gestimmt und sie hat sie nie bereut.
Nun sie jedoch wegen des Todes ihres Partners trauert, muss sie sich von Bekannten anhören: "Tja, wenn du Kinder hättest, ..."

Diese Bemerkungen schmerzen Brigitte. Es fühlt sich an, wie wenn da die Botschaft mitschwingt: "Da bist du nun selbst Schuld dran."
Als wenn ihr die Trauer um den Partner erspart geblieben wäre, wenn sie Kinder hätte.

Es kann sein, dass die ihr eine Stütze gewesen wären in der schweren Stunde. Genau so ist es jedoch möglich, dass sich erwachsene Kinder alles andere als hilfreich verhalten, wenn ein Elternteil um den verstorbenen Partner trauert. Es zum Beispiel daneben findet, wenn der sich neu verliebt.

Es ist nicht so, dass sie nun auf einmal selbst ihren Entscheid bereuen würde.
Aber sie versteckt ihre Trauer nicht, sondern gibt ihr den Raum, den sie braucht, um verarbeitet werden zu können. Und wenn sie im Zusammensein mit Freunden eine Welle überkommt, erlaubt sie sich ein paar Tränen.

Wer eine Trauernde in einem solchen Moment mit der Bemerkung abspeist "Tja, wenn du Kinder hättest, ...", ist wohl einfach hilflos angesichts des trauernden Menschen. Und wäre froh zu wissen, jemand anders würde sich dieses Menschen annehmen – eben zum Beispiel seine Kinder.

Es gibt im Leben beliebig viele herausfordernde Momente, in denen man sich sagen könnte, wenn ich Kinder hätte, wäre ich jetzt besser dran.

Es wird vermutlich auch Momente geben, wo man sagt: "Was dies anbetrifft, ist es schade, dass ich keine Kinder habe."

Dieser Moment von "das ist schade" braucht sich nicht in eine Reue aufzuplustern, die einen auffrisst. Man kann ihn stattdessen annehmen (also nicht wegschieben und verdrängen) und sich bewusst machen, dass er Teil des Weges ist, den man gegangen ist.
Dann ist es okay, wenn es solche Momente gibt.

Falls es mal schwieriger wird und solch ein Moment sich so auszudehnen droht, dass die Lebensqualität darunter leidet, kann man sich vielleicht sich ein paar Sitzungen begleitete Persönlichkeitsentwicklung (oder Psychotherapie / Coaching) gönnen.

Dabei fällt einem kein Zacken aus der Krone, im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Reife, sich im richtigen Moment passende Unterstützung zu holen.

Und es bedeutet, sich der Situation stellen, wenn man schaut, wie man das Beste draus machen kann (nämlich einen persönlichen Entwicklungsschritt), und wie einem dies leichter und meist auch etwas schneller gelingt.


Nächster Beitrag: 21. Dezember 2023 – Weihnachtszeit und unerfüllter Kinderwunsch – das Gute daran

Zurück zur Übersicht

Kommentar hinzufügen