22. April 2020 – Schadenfreude
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In der Zeit, wo Familien sich rund um die Uhr um ihren Nachwuchs kümmern müssen und damit oft an die Grenzen kommen, entsteht unter Kinderlosen zuweilen die Neigung zu Schadenfreude. Man macht sich gemeinsam lustig über Eltern, die jetzt mit "ihrer Brut" alleine zurechtkommen müssen. "Hätten sie sich das doch früher überlegt!"
"Stellen Kinder auf die Welt und erwarten, dass andere sie betreuen!"
Das afrikanische Sprichwort "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen", macht schon Sinn. Weniger Sinn macht hingegen die Kleinfamilie wie wir sie bei uns kennen: Ein Paar versucht selbst alles zu stemmen. Trotzdem wird dieses Modell hochgehalten und als Ideal vermarktet.
Bei diesem Modell braucht es – weil die Struktur des Dorfes fehlt – Institutionen, die einspringen. Schule, Kita und so weiter.
Das ist nicht die Schuld der Eltern, es ist unser von natürlichen Strukturen entferntes Kleinfamilienmodell und unser ganzes System, das danach ausgerichtet ist.
Dieses Modell trägt gleichzeitig seinen Teil dazu bei, dass sich unfreiwillig Kinderlose ohne eigenes Kind defizitär fühlen: Wären sie in eine Sippe eingebunden, in der sich alle um alle Kinder kümmern, kann es vielleicht sogar vorkommen, dass ein Kind zu einer Frau, die einen besonders guten Draht zu Kindern hat, eine nähere Beziehung entwickelt als zur eigenen Mutter, falls diese eher distanziert ist.
Bei derartigen Witzchen beschleicht mich ein mulmiges Gefühl und die Frage taucht auf: Was führt zu dem Bedürfnis, sich über Leute lustig zu machen, die anders sind, anders leben?
Ist es vielleicht Neid? Bewusst oder unbewusst? Neid auf das Familienleben oder bei denen, die das gar nicht anstreben auf das Leben innerhalb der Norm?
Oder man fühlt sich selbst von der anderen Gruppierung nicht ernst genommen oder schlecht behandelt. Also macht man sich über die andern – quasi in einem Vergeltungsbedürfnis – auch lustig und zeigt damit, dass man sie auch nicht ernst nimmt.
Es ist ein Fakt, dass Kinderlose immer noch als "nicht der Norm entsprechend" gelten. Das führt dazu, dass wir genau das erleben: Wir werden hin und wieder nicht ernst genommen oder unser Lebensentwurf wird als zweitklassig angesehen.
Daran ändern wir jedoch nichts, wenn wir uns über Eltern lustig machen. Im Gegenteil: Wir verhärten die Fronten.
Meines Erachtens tragen wir dadurch nichts dazu bei, dem Leben ohne Kinder einen besseren Stellenwert zu verschaffen.
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