3. Mai 2019 – Geburtsanzeigen


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"Wozu werden eigentlich Geburtsanzeige-Karten verschickt?"
Die Frage wurde von einer OK-Frau in den Raum gestellt und verleitete mich zu subjektiven Betrachtungen. Sie machte mir bewusst, dass ich – seit diese angefangen haben, bei mir einzutreffen – nach einem adäquaten Umgang damit gesucht habe. Zu Beginn machte ich mir jeweils Gedanken, welche Reaktion wohl von mir erwartet wird und blieb im Verfassen einer Antwort stecken.
Zweifel plagten mich: Reicht eine Antwortkarte mit Gratulation oder muss es ein Geschenk sein, das man vorbeibringt? (Ich bin soo schlecht darin, mir Pflichtgeschenke auszudenken!) Hat die frischgebackene Mutter überhaupt Nerven für einen Besuch und wird sie nicht ohnehin schon mit Geschenken überhäuft, so dass ein weiteres nur eine Belastung darstellt? So lösten einige dieser Kärtchen ein schlechtes Gewissen aus, weil es nie zur Umsetzung einer Reaktion kam.

Um mein Gewissen zu beruhigen, sagte ich mir, dass es doch in erster Linie darum geht, einen Meilenstein des Lebens mit Freunden zu teilen. Oder die Freude darüber zu teilen. Braucht es dazu zwingend eine Reaktion? Trotzdem ging ich davon aus, dass es mit meinem Versäumnis zu tun hatte, wenn bei der Geburt des zweiten Kindes keine derartige Karte mehr eintraf. Dabei scheint es ein verbreitetes Phänomen zu sein, dass beim zweiten und dritten Kind nicht mehr gleich fleissig Karten verschickt werden wie beim ersten. Und bei einer Freundin bekam ich mit, wie sie beim 3. Kind schlicht nicht mehr die Zeit fand, eine Karte zu gestalten.
Nie würde ich mir erlauben, eine derartige Karte zu entsorgen, die meisten hänge ich auf.

Als ich die Website kinderfreilos.ch online schaltete, sah ich meine Chance, endlich auch mal eine Geburtsanzeige verschicken zu können. Dies tat ich per Email und die Vorstellung der überraschten Gesichtsausdrücke bei einer Email von mir mit dem Titel "Geburtsanzeige" (ich war 46) bescherte mir ein schelmisches Vergnügen.

"Endlich auch mal" – das machte mir bewusst, dass diese Karten mir scheinbar das Gefühl gaben, etwas nicht zustande zu bringen.
Für unfreiwillige OK-Frauen geht das noch viel weiter, diese Karten können eine regelrechte Belastung werden, da sie jedes Mal Trauer und Schmerz reaktivieren. Und diese Frauen haben ein schlechtes Gewissen, weil sie denken: "Ich sollte mich jetzt für die andere freuen." Dabei ist es ein Stich ins Herz.
Und für beide Sorten OK-Frauen gilt wohl, dass beim Eintreffen solch einer Karte der Gedanke aufblitzt "Wieder eine (OK-Frau) weniger".

Wo es übrigens stets mehr OK-Frauen gibt, ist auf der Inspirationsseite von kinderfreilos. Logisch war die Zahl 100 bis Ende Monat zu hoch gegriffen. Aber 20 wurden es. Plus 1 Mann! Und irgendwann werden es 100 sein. Wann kommt deine?

Und wie sieht dein Verhältis zu Geburtsanzeigen aus?

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